Die Hohenzollern und die Nazis by Stephan Malinowski
Autor:Stephan Malinowski
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
veröffentlicht: 2021-12-15T00:00:00+00:00
Der Kronprinz als Kommandant des 1. Leibhusaren-Regiments mit seinen beiden ältesten Söhnen zu Pferde (Postkarte um 1910).
Immer wieder berichten Quellen von weinenden Männern, die von Emotionen überwältigt werden, wenn Einheiten aufmarschieren, an die GröÃe alter Tage erinnert wird oder wenn Gutsbesitzer markige Reden halten. Uniformen, Orden, Standarten, Marschformationen konnten Emotionen gröÃer Intensität abrufen.257 Man wird die intensiven Emotionen ernst nehmen müssen, die hier an das Militärische, an spezifische Vorstellungen von Ordnung und GröÃe sowie an die Feldzeichen der alten Zeit geheftet waren. Um die Intensität der Emotionen zu erfassen, die sich an militärische Rituale, Zeichen und Codes haftete, muss eine Erziehung bedacht werden, die bereits im frühkindlichen Alter militärisch geprägt war â Kleinkinder, die noch nicht schreiben, aber mit ihren Vätern schon hoch zu Pferd sitzen und die Zügel führen können, als kleine weiÃe Einsprengsel in einer Formation schwarzer Husaren.
Während es weit schwerer erscheint, die Rolle der Frauen innerhalb der von militärischen Codes dominierten Milieu zu beschreiben, sind Schlachten, Regimentsnamen, Heerführer, Anekdoten, aber auch kleine materielle Details die Erinnerungsorte, an denen sich adlig-militärische Identität festmacht. Diese Beobachtung gilt nicht für den gesamten Hochadel, jedoch für die stark militärisch geprägte Tradition der Hohenzollern in den hier betrachteten drei bis vier Generationen. Akzeptierte man die Metapher vom Guerillakrieg, den groÃe Teile des preuÃischen Militäradels gegen die Republik führten, so wäre in diesem Bild auch Raum für die nachweislich sehr aktive Rolle adliger Frauen in diesem Milieu. Denn anders als in der konventionellen Kriegsführung spielen Frauen für den Erfolg von Guerillagruppen eine wichtige, nicht selten zentrale Rolle.258
In der Familie Hohenzollern blieben der Krieg und das Militärische die wichtigsten Referenzpunkte, die sich benennen lassen. Militärische Rituale boten Halt und Tradition und eine stetige Brücke zwischen Doorn und Berlin sowie zwischen den Generationen. Dies galt auch dann, wenn in der Familie niemand mehr direkten Zugriff auf die real existierende Armee besaÃ. 1930 berichtete Prinz Oskar, wie er in Berlin in Vertretung seines Vaters die ehemaligen Königs-Grenadier-Offiziere vereinigt, Huldigungen gesammelt und die Fortdauer preuÃischer Militärtraditionen gesichert habe.
Neben den Ritualen und Idealen blieb auch die Lektüre, der man Orientierung in der Gegenwart zutraute, militärisch geprägt. Im selben Schreiben empfahl der besonders militärisch geprägte Prinz seinem Vater die Lektüre dreier Bücher mit den Titeln Moskau ohne Maske, Die Höhle von Beauregard und Die Sieben vor Verdun.259 Auch aus dem Dritten Reich senden die Söhne aus der Zeit gefallene Berichte, in denen es stets militärische Elemente und Details sind, die Vergewisserung über Vergangenheit und Gegenwart bieten sollen. Oskar berichtet 1937 aus Wien, wohin er »auf Allerhöchsten Befehl« seines Vaters zu einer Beerdigung im Hochadel gereist war, über sein Gespräch mit dem ehemaligen König von Spanien: »Er wuÃte noch sehr gut Bescheid, fragte nach Gardelitzen, Grenadieradlern, Gibraltarbändern, ledernen Faustriemen bei Infanterie-Regimentern usw. Wir saÃen bis etwa 23.30 zusammen.«260
1934 berichtete Prinz Eitel Friedrich vom Regimentstag in Berlin von Aufmärschen der preuÃischen Eliteregimenter. Er dankte seinem Vater »für das sehr gnädige Brieftelegramm« und konnte angesichts der Aufmärsche rapportieren: »Das Herz ging einem wieder auf, als man diese strammen, grossen Leute in ihrer straffen militärischen Haltung, die keine Zeit ihnen abgewöhnen konnte, sah.
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